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Babyboom im Norden, doch es fehlt an Klinikpersonal

Mehr Wonneproppen für den Norden: Der Babyboom hält an, doch viele Schwangere und junge Mütter finden keine Hebammen und in den zu wenigen und zu kleinen Kreißsälen ist teilweise Schlange stehen angesagt …

„Sie ist sooo süß!“, Julie A. ist ganz verzaubert von ihrer Tochter. Erst ein paar Stunden ist diese auf der Welt. Rund 3.400 Gramm schwer und 49 Zentimeter groß und mit einem niedlichen kleinen Stupsnäschen. Natürlich findet Julie A. – wie könnte es anders sein – dass ihre Tochter die schönste und lieb-ste auf der Welt ist, der Vater René sieht das genauso: „Ich bin ganz verliebt in meine Kleine!“ Die Geburt im Klinikum Lüneburg verlief problemlos: „Ich habe eine tolle Hebamme gefunden“, erzählt die junge Mutter. „Und die hat mir schon sehr geholfen, ich weiß aber, dass nicht alle so ein Glück haben.“ Tatsächlich wird es für schwangere Frauen in Niedersachsen immer schwieriger, eine Hebamme und eine nahegelegene Geburtshilfe-Station zu finden. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Landesgesundheitsamtes hervor, den Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) in Hannover präsentiert hat. Die Zahl der Kliniken, in denen Kinder auf die Welt gebracht werden können, ging seit 2003 von 107 auf 71 zurück. Die Zahl der überwiegend im Krankenhaus arbeitenden Hebammen ist laut dem Bericht mit etwas mehr 900 konstant geblieben. Allerdings mussten sie deutlich mehr Geburten betreuen. Außerdem gibt es in Niedersachsen noch knapp 1.200 freiberufliche Hebammen. Von ihnen betreuen aber nur noch rund 100 außerklinische Geburten. 2009 boten dies noch 184 Hebammen an.

Geburt auf dem Klinikparkplatz

Die Situation in und um Lüneburg ist zwar etwas entspannter als beispielsweise in den schwer gebeutelten Landkreisen Wittmund, Diepholz, Vechta und Peine, wo sich rechnerisch weniger als sechs Krankenhaus-Hebammen um tausend Geburten kümmern, doch Personalengpass bei Hebammen (und Ärzten) und überfüllte Kreißsäle gibt es auch hier. Noch ist zwar in Lüneburg kein Kind auf dem Klinikparkplatz zur Welt gekommen wie die Tochter von Julia K. Ihren Fall schilderten der Deutsche Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): Die 35-Jährige war in einem Krankenhaus von einer Ärztin weggeschickt worden, weil alle Kreißsäle belegt waren. Das Kind werde schon nicht in den nächsten 20 Minuten kommen, hatte die Ärztin beschwichtigend gesagt – dabei war die Fruchtblase bereits geplatzt und der Muttermund einige Zentimeter geöffnet. Aber zweifellos schlägt auch am Klinikum Lüneburg der anhaltende Babyboom inzwischen voll durch. Denn das Einzugsgebiet ist riesig, umfasst neben dem Landkreis auch große Teile der Kreise Harburg, Lüchow-Dannenberg, Herzogtum Lauenburg, Ludwigslust, Salzwedel und Uelzen. Um auch in Zukunft eine bestmögliche Versorgung für Mutter und Kind sicherstellen können, muss weiter expandiert und modernisiert werden.

Das bestätigt auch Prof. Dr. Josef Sonntag, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Lüneburg: „In den letzten Jahren hat die Zahl der Geburten faktisch zugenommen. Das führt zu Kapazitätsengpässen.“ Die ganz kleinen Patienten wie Baby Emily sind die ersten, die das zu spüren bekommen. Als wir sie und ihre Mutter frühmorgens wiedertreffen, sind sie gerade erneut in der Klinik – Grund ist eine erhöhte Konzentration von Bilirubin, was auf eine Neugeborenen-Gelbsucht hinweist. Eigentlich relativ harmlos, wenn man die Werte genau im Blick behält. Doch das erwies sich bei Emily offenbar als schwierig. Julie A.: „Die Schwestern waren überfordert, für mich und Emily gab es kein richtiges Zimmer und es fand sich kein Arzt, der bei meinem Kind einen Zugang legen konnte. Die Kleine ist richtig zerstochen, hat sehr gelitten. Immer wieder wurde neu Blut abgenommen.“ Auf Nachfrage bestätigt das Klinikum, dass auf der Station in der Nacht der Aufnahme von Emily und ihrer Mutter alle Zimmer belegt waren, man war an der „Grenze des Machbaren“ und „da laufe eben nicht immer alles so, wie es eigentlich soll.“ Eine Situation, die in Zukunft sogar häufiger eintreten könnte, so eine Klinikmitarbeiterin: „Wir brauchen einfach mehr Zimmer auf der Station und spätestens dann natürlich auch mehr Mitarbeiter. Das würde den Stress vermindern. Wir tun schon alles, aber manchmal ist es eben zu viel.“

Nachtrag: Glücklicherweise hat Emily ihre Gelbsucht inzwischen gut überstanden, es hat sich alles auf natürlichem Weg reguliert. Auch von den vielen Einstichen ist nichts mehr zu sehen. Das kleine Schätzchen ist längst wieder zu Hause und liebt es, auf dem Arm der Mutter zu schlafen und dabei am Daumen zu nuckeln. (RT)

„Ganz verleibt in Baby Emiliy!“
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