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Nils Schreiner und Jan Hobst spielen im Lüneburger Footballteam

Um ihren Sport zu verstehen, sind ganze Bücher notwendig, und wahrscheinlich kennt niemand alle Regeln: Nils Schreiner und Jan Hobst spielen bei den Lüneburg Razorbacks American Football. Während die Ballsportart in den USA eine der populärsten Sportarten überhaupt ist, sind in Deutschland noch verhältnismäßig wenige mit ihr vertraut – was auch daran liegt, dass die Spiele der amerikanischen Profiliga NFL (National Football League) lange nur im Pay-TV ausgestrahlt wurden. Weltbekannt hingegen ist der Super Bowl, das Finale der NFL, das weltweit im Fernsehen übertragen wird.

Nils Schreiner lernte American Football erst durch einen Freund kennen, mit dem er im Pay-TV die NFL-Spiele sah. „Ich war auch mal auf einer Super-Bowl-Party“, erinnert sich der 24-Jährige. „Aber am Anfang hab ich eigentlich nichts verstanden. Ich musste mich erst mal mit den Regeln auseinandersetzen“, erzählt der Lüneburger. Auch sein 32-jähriger Teamkollege Jan Hobst entdeckte Football durch die Medien und begeisterte sich lange für den Sport, bevor er selbst damit anfing. „Es gab auch nie was in der Nähe, wo ich hätte spielen können“, erzählt der Winsener. Er spielte eine Saison in Hamburg die abgewandelte Form Flag Football, wechselte dann aber zu den Razorbacks nach Lüneburg. „Den Weg nehme ich gerne in Kauf“, sagt er.

Coach teilt Positionen zu

Die Lüneburg Razorbacks gibt es seit 2013, seitdem spielt Jan mit im Team. Der Kader, dem 50 Spieler im Alter von 18 bis 32 Jahren angehören, spielt als einziges niedersächsisches Team in der Landesliga Nord Schleswig-Holstein/Hamburg. Das frühere Lüneburger Herrenteam, die Lüneburg Jayhawks, löste sich vor rund zehn Jahren auf. Drei der ehemaligen Spieler sind nun die Coaches der Razorbacks. Jan und Nils kamen beide vom Handball – und die Umstellung war groß. Nils, der seit Sommer 2016 bei den Razorbacks spielt, wurde als Anfänger ins kalte Wasser geworfen und musste schnell lernen. Wer neu ins Team kommt, bekommt vom Coach seine Position zugeordnet. Je nach Position werden kräftige und stämmige Spieler genauso gebraucht wie schnelle, athletische. Als Quarterback muss Jan beispielsweise gut werfen und abgeben können, Nils wurde als Linebacker eingeteilt, wofür eine kräftigere Statur vonnöten ist. Theorie und Taktik beim Football sind die eine Sache. „Die körperliche Fitness muss sich jeder selbst erarbeiten“, erklärt Jan. Während beim Training der Sport im Vordergrund steht, wird von den Spielern erwartet, dass sie ihren Körper zusätzlich in Form halten. Vor der Saison, die in diesem Jahr von April bis September geht, gilt es, die allgemeine Physis aufzubauen. Jan und Nils gehen dafür regelmäßig zum Krafttraining im Fitnessstudio.

Krafttraining mindert Verletzungsrisiko

Dass der Körper durchtrainiert ist, ist eine Voraussetzung dafür, den Sport verletzungsfrei auszuüben. „Football ist ein Kollisionssport“, erklärt Jan. Bei den Zusammenstößen sei es von Vorteil, kräftig zu sein. „Training alleine reicht nicht.“ Im Vergleich zu anderen Ballsportarten sei American Football so auf jeden Fall aufwendiger. Zweimal in der Woche wird je zwei Stunden beim LSV trainiert, an Spieltagen geht noch mehr Zeit drauf. „Wenn Kickoff um 15 Uhr ist, treffen wir uns schon um 12 Uhr zum Warmmachen auf dem Platz“, erklärt Jan. Ein Spiel könne zwei bis drei Stunden dauern. Die mentale Vorbereitung beginnt schon auf der Anreise. Die Vorfreude und Anspannung ist immer groß, denn die Spiele sind für alle das Highlight. „Für die Spiele tut man sich das Ganze an“, meint Jan. Beim Football macht der einzelne Spieler wenig aus, er funktioniert nur in der Mannschaft. „Ich kenne keinen Sport, der so viel Teamgeist hat“, meint Jan, der außer Handball auch Basketball und Fußball im Verein gespielt hat. „Es geht im Spiel um ein geschlossenes Team. Football ist nichts für Individualisten oder Einzelgänger, man ist immer so stark wie das schwächste Glied. Das ist das Schöne: Du bist im Team alles und alleine nichts.“ Auch Nils fühlte sich in der Mannschaft schnell aufgenommen. „Jeder tritt für den anderen ein, und man kann sich aufeinander verlassen“, so sein Eindruck. „Innerhalb der Mannschaft fällt nicht ein böses Wort.“ Eher feuere man sich untereinander an und baue sich auf.

Der Sport mit dem größten Regelwerk

Als erschlagend empfand Nils zunächst das Regelwerk beim Football. Vom Coach erhält jeder Spieler ein 50-seitiges Playbook mit Footballwissen rund um die eigene Position, das er beherrschen sollte. Zwar hatte Nils jahrelang NFL-Spiele im Fernsehen gesehen, doch in ihrer Liga wird nach anderen Regeln gespielt. „Wir spielen nach den Regeln der amerikanischen Colleges“, weiß Jan, der auch schon Spiele als Schiedsrichter pfiff. Die Ausbildung dafür ist sehr komplex. „Football ist der Sport mit dem größten Regelwerk. Aber jeder muss auch nicht alles wissen“, erklärt der 32-Jährige. Pro Spiel sind fünf Schiedsrichter auf dem Platz, für die Zuschauer gibt es einen Kommentator, der über Lautsprecher das Geschehen erläutert. Einen Vorteil sieht Jan in der Komplexität der Sportart: „Football zieht eine angenehme Klientel an. Man muss auf jeden Fall was im Kopf haben. Die, die ihren Körper einfach nur aufpumpen, verstehen den theoretischen Teil nicht.“ Wenn die Lüneburg Razorbacks ein Spiel haben, stehen 300 bis 350 Zuschauer am Spielfeldrand – Tendenz steigend. „Durch das Free TV interessieren sich mehr Leute dafür“, meint Jan. Zwar würden auch immer mehr selbst spielen wollen, doch die erste harte Kollision sei das Zünglein an der Waage, ob derjenige wirklich bleibe. „Von zehn Spielern, die anfangen, bleiben vielleicht drei dabei.“ Er hingegen habe bei seinem ersten harten Hit Blut geleckt – ohne ihn mit Aggression zu verbinden. „Es ist zwar ein körperlich sehr harter Sport, aber ich habe ja nichts gegen mein Gegenüber“, erklärt Jan. Die Coaches Volker Kayser, Mark Düffert und Johannes Feddern trainieren die Lüneburg Razorbacks. Jan fällt zwar durch eine Knieverletzung momentan beim Sport aus, doch es ist für ihn selbstverständlich, solange die Quarterbacks mit zu trainieren. Sich zuhause auf dem Sofa auszukurieren, würde für den 32-Jährigen nicht in Frage kommen.

Wie eine zweite Familie

In den vier Jahren als Football-Spieler hat sich Jan jetzt das erste Mal verletzt. Der Quarterback glaubt nicht daran, dass man sich beim Football mehr verletze als beispielsweise beim Fußball. „Man hat mehr blaue Flecken und Prellungen, aber das gehört dazu“, erklärt er. Er habe in den vergangenen Jahren nur wenige Verletzungen erlebt – manchmal auch einfach durch Pech, wenn einer unglücklich gefallen oder falsch aufgetreten sei. „Wenn man eine vernünftige Physis und ein gutes Coaching hat, ist die Verletzungsgefahr nicht hoch. Ich gehe davon aus, dass man beim Handball mehr Verletzungen hat“, sagt Jan. Man trainiere schließlich Zusammenstöße, und zahlreiche Regeln und Strafen verhinderten, dass man sich oder andere in Gefahr bringe. „Schiedsrichter schicken auch Spieler vom Platz, die ständig andere verletzen“, erklärt er. Der erste richtige Zusammenstoß war für Nils der Moment, in dem es bei ihm Klick machte. „Ich habe gemerkt, dass man den Aufprall nicht merkt, wenn man es technisch korrekt macht. Es tut mehr weh, wenn man vorher abbremst“, sagt der 24-Jährige. „Man gerät immer wieder an seine Grenzen, nicht nur körperlich. Das macht Spaß, denn man wird immer besser.“ Im Team der Lüneburg Razorbacks wurden schon viele enge Freundschaften geschlossen. Mit seiner Linebacker-Gruppe trifft sich Nils auch privat, wo gelegentlich Regeln durchgesprochen werden. „Der Sport an sich ist zwar auch unheimlich schön, aber man wächst zu einer zweiten Familie zusammen, das macht es für mich aus“, ergänzt Jan.

Playbook als tägliche Lektüre

Nils setzt sich gerne in seiner Freizeit mit der Taktik und dem Theoretischen Teil des Footballspielens auseinander: „Die ganze Football-Logik ist interessant, und es macht Spaß, den Theorie-Teil umzusetzen.“ Das Playbook gehört für ihn zur täglichen Lektüre. Dass nahezu alle Begriffe auf Englisch sind, merke man schon bald nicht mehr. „Ich lese in meinem Playbook auch mal bei der Arbeit in der Pause was nach – so wie andere in der Zeitung blättern“, erklärt Jan. Natürlich gibt es unter Spielern auch mal ein Motivationstief. Doch Jan und Nils gehen auch in solchen Fällen zum Training, um die anderen nicht hängen zu lassen. „Wenn ich erst mal da stehe, dann kriege ich wieder Lust“, sagt Jan. „Egal, wie blöd der Tag war, es ist einfach ein super Sport zum Abschalten.“ (JVE)

Das nächste Heimspiel der Lüneburg Razorbacks findet am Sonntag, 18. Juni auf dem LSV-Platz an der Schützenstraße 31 gegen die Neumünster Castle Demons statt. Kickoff ist um 15 Uhr. Infos: www.razorbacks.de

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